72 Hannah Lessing im ZEITGESPRÄCH mit Gerhard Schmid
In dieser Folge der Zeitgespräche unterhalte ich mich mit Hanna Lessing, der Generalsekretärin des österreichischen Nationalfonds, über die Arbeit des Fonds und seine Bedeutung für die Aufarbeitung der NS-Zeit.
31.07.2023 30 min
Zusammenfassung & Show Notes
Mit Prof. Mag.a Hannah Lessing begrüßt Dr. Gerhard Schmid die Generalsekretärin des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus bei den Zeit.Gesprächen. Die studierte Ökonomin ist seit Sommer 2022 Mitglied im International Auschwitz Council (IAC) und der gesamtgesellschaftlichen Plattform Nationales Forum gegen Antisemitismus. Zudem ist Prof. Mag.a Lessing Repräsentantin für Österreich im Präsidium Vertreterin des Nationalfonds im Internationalen Beirat Mauthausen und Vorstandsmitglied im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW).
Sie wirkt als Autorin und Vortragende und setzt sich in ihren vielfältigen Funktionen entschieden gegen das Vergessen ein. Die national und international mehrfach ausgezeichnete Ökonomin spricht mit Dr. Gerhard Schmid über ihre Arbeit, den Kampf gegen Antisemitismus und warum die Aufklärung über den Holocaust eine unbedingte Notwendigkeit ist.
Sie wirkt als Autorin und Vortragende und setzt sich in ihren vielfältigen Funktionen entschieden gegen das Vergessen ein. Die national und international mehrfach ausgezeichnete Ökonomin spricht mit Dr. Gerhard Schmid über ihre Arbeit, den Kampf gegen Antisemitismus und warum die Aufklärung über den Holocaust eine unbedingte Notwendigkeit ist.
Gespräche auf Augenhöhe, auf Höhe der Zeit: Die „ZEITGESPRÄCHE“ sind ein eindrückliches Zeugnis von Anstand und Respekt.
Zeit für Gespräche – Zeit für Antworten. Gerhard Schmid liefert mit seinen „ZEITGESPRÄCHEN“ beides. Und das zur richtigen Zeit. Denn mit dieser Reihe gelingt, was in der Eile des Alltags oft leider zu kurz kommt: Erfahrung und Persönlichkeit zusammenbringen. Das Gespräch suchen und finden. Zuhören, Menschen und ihre Geschichten und Erfahrungen wirken lassen.
Zeit für Gespräche – Zeit für Antworten. Gerhard Schmid liefert mit seinen „ZEITGESPRÄCHEN“ beides. Und das zur richtigen Zeit. Denn mit dieser Reihe gelingt, was in der Eile des Alltags oft leider zu kurz kommt: Erfahrung und Persönlichkeit zusammenbringen. Das Gespräch suchen und finden. Zuhören, Menschen und ihre Geschichten und Erfahrungen wirken lassen.
In dieser Ausgabe der Zeitgespräche begrüße ich herzlich meine beeindruckende und faszinierende Gastfrau, Hanna Lessing, Generalsekretärin des österreichischen Nationalfonds. Wir sprechen über ihre Rolle und Funktion, die sie im Parlament hat, und wie sie sich mit dem Thema Antisemitismus, Entschädigung und Wiedergutmachung auseinandersetzt.
Hanna erzählt, dass sie in einer Zeit aufgewachsen ist, in der diese Themen kein Thema waren und alle nach vorne schauen wollten. In den 80er Jahren hat sich jedoch etwas geändert und Hanna wurde bewusst, dass sie entweder besonders freundlich behandelt oder gemieden wurde, weil sie eine Jüdin ist. Sie wollte, dass sich der Umgang untereinander normalisiert und übernahm daher 1995 den Job als Generalsekretärin des Nationalfonds.
Ihr Vater war ein berühmter Fotograf, der die Zeitgeschichte festgehalten hat. Diese Erfahrungen haben Hanna dazu geprägt, etwas bewegen und verändern zu wollen. Sie hat die Chance ergriffen, um sich mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen und ist der Ansicht, dass dies auch für die Jugend wichtig ist. Es geht darum, den dunkelsten Zeiten unserer Geschichte, die trotzdem Teil davon sind, angemessen zu begegnen. Hanna sieht es als ihre tägliche Aufgabe an, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen.
Ich glaube, es ist wichtig, eine positive Perspektive in die Zukunft zu haben. Obwohl ich viel Leid und schreckliche Geschichten gehört habe, habe ich auch gesehen, dass Menschen trotzdem Resilienz und etwas Positives zu geben haben. Es ist unsere Aufgabe, die Geschichte nicht nur als eine Lehre aus der Vergangenheit zu betrachten, sondern auch einen Zusammenhang zum Heute herzustellen.
Es gibt zwar viele Bildungseinrichtungen und Projekte, die sich mit der Erinnerungsarbeit beschäftigen, aber trotzdem steigt Rassismus, Antisemitismus, Xenophobie und Misogynie immer noch an. Wir müssen Symbole setzen und die Erziehungsarbeit, Demokratie, Vermittlung, Zivilcourage und Antirassismus fördern. Es ist wichtig, dass Gedenktage nicht nur symbolisch sind, sondern auch Inhalte vermitteln und Jugendliche einbeziehen. Lehrer sollten sich mehr Zeit für Einzelgespräche nehmen und mit Jugendlichen über diese Themen offen sprechen.
Wir sind viel im Ausland unterwegs und vertreten Österreich in verschiedenen Expertenkreisen und Gremien. In Bezug auf Investitionen ins Bildungssystem vergleiche ich diese mit Amerika, europäischen Ländern, Kanada usw. Ich bin der Meinung, dass es keinen verstärkten Handlungsbedarf gibt. Österreich ist in puncto Holocaust-Unterricht sehr gut aufgestellt und dient als Vorbild für andere Länder, nicht nur im Unterricht, sondern auch in der Restitution und Erinnerungsarbeit.
Es ist wichtig, Erinnerungsorte zu schaffen, da die Zeitzeugen langsam verschwinden und die Erinnerungen ins kollektive Gedächtnis übergehen sollen. Im Unterricht und in der Erinnerungskultur sind wir gut, aber es ist wichtig, diese auch mit Aktivitäten zu begleiten. Jugendliche sind interessiert und haben viele Fragen. Es ist wichtig, ihnen Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken. Die politische Bildung könnte in Österreich noch ausgebaut werden.
In Bezug auf Antisemitismus habe ich oft erlebt, dass Ausländer ein negatives Bild von Österreich haben, obwohl es in anderen Ländern auch Probleme gibt. In Paris habe ich aggressiven Antisemitismus erlebt. In Österreich gibt es eine Zunahme des Antisemitismus, und es ist wichtig, zwischen verschiedenen Formen zu unterscheiden. Der Sprecher berichtet, dass er selbst antisemitische Beleidigungen erlebt hat, obwohl er einen Davidstern trägt. Er erkennt, dass Antisemitismus existiert und dass noch viel Arbeit zu tun ist, um dagegen anzukämpfen.
Er betont auch die Notwendigkeit, gegen Angriffe auf muslimische Mitbürger/innen vorzugehen und sich für eine aufgeklärte und humanistische Gesellschaft einzusetzen. Darüber hinaus erwähnt er auch den Antisemitismus, die Islamophobie, die Diskriminierung von Roma und Sinti sowie die Unterstützung sexueller Minderheiten. Er betont, dass ein Wohlfahrtsstaat und eine gute soziale Absicherung notwendig sind, um gesellschaftliche Unterschiede zu überbrücken.
Bildung und Aufklärung spielen ebenfalls eine wichtige Rolle, um Vorurteile abzubauen. Der Sprecher nennt den Besuch von Auschwitz mit einer Gruppe von Imamen und Rabbinern als berührendes Erlebnis und plädiert dafür, Vorurteile jeden Tag zu hinterfragen. Das Bildungssystem müsse sich auf die Vermittlung einer weltoffenen und toleranten Sichtweise konzentrieren. Reisen und kosmopolitisches Denken seien ebenfalls von großer Bedeutung.
Der Sprecher betont, dass Vorurteile vorhanden sind und dass man ehrlich zu sich selbst sein muss, um sie zu erkennen und zu überwinden. Er spricht auch von autoritären Tendenzen in Europa und hebt die Bedeutung des Bildungssystems hervor, um diesen entgegenzutreten und Zivilcourage zu fördern. Der Sprecher betont, dass man bereits im Kindergarten und im Vorschulalter mit Achtsamkeit und dem Zusammenleben mit verschiedenen Menschen beginnen sollte. Er berichtet von seiner eigenen Erfahrung in einer multikulturellen Schule und plädiert dafür, bereits frühzeitig diesen Umgang mit Vielfalt zu lernen.
Wir haben uns darauf geeinigt, dass der Hauptschwerpunkt unserer Projektförderung auf den Projekten liegt, die den noch lebenden Opfern zugutekommen. Das beinhaltet Psychotherapien und die Gründung von Österreicher-Clubs für Überlebende des Holocausts. Nun konzentrieren wir uns vermehrt auf Forschung, um offene Fragen zu beantworten.
Lange Zeit wurde nicht genug über die Täter geforscht, doch nun haben wir zwei Großprojekte gestartet, darunter die Neugestaltung der österreichischen Ausstellung in Auschwitz-Birkenau, bei der wir auch über die Täter sprechen. Unsere aktuellen Projekte zielen darauf ab, Geschichte zu vermitteln und diese Vermittlung auch in die Bundesländer zu bringen.
Wir haben einen Simon Wiesenthal-Preis ins Leben gerufen, der einmal im Jahr für zivilgesellschaftliches Engagement verliehen wird. In den nächsten Jahren werden wir uns vor allem auf die Erinnerungskultur konzentrieren und unsere einzigartigen Akten digitalisieren, um der Forschung die Möglichkeit zu geben, spezifische Lebensgeschichten zu untersuchen. Unsere Hauptaufgabe wird weiterhin die Vermittlung sein.
Mit Mary Striep, Rosemary Harris und vielen anderen. Mein Vater hat es gehasst und es als Banalisierung bezeichnet. Ich hingegen sehe darin die Möglichkeit, Geschichte durch Einzelschicksale erlebbar zu machen. Die Serie hat weltweit einen unglaublichen Effekt gehabt. Auch wenn es wissenschaftlich betrachtet kritisch gesehen wird, konnte jeder ein Stück mitfühlen. In unseren Aktenbeständen gibt es auch Beispiele für Entzug, wie zum Beispiel den Entzug einer Füllfeder oder einer Harley-Davidson. Das ist greifbarer.
In meiner Freizeit spiele ich seit fast 30 Jahren Golf. Das ist eine Möglichkeit, mich abzulenken und mich dem Golfball in der Natur zu widmen. Außerdem singe ich, früher im Chor und jetzt mit einer Gesangslehrerin. Es gibt auch wichtige Themen wie Antisemitismus, bei denen wir aktiv sind. Wir haben die erste Antisemitismus-Definition in der International Holocaust Remembrance Alliance geschaffen, die von vielen angewendet wird.
Große Fußballvereine haben viel in Aufklärungsarbeit investiert. Es ist wichtig, junge Menschen für dieses Thema zu sensibilisieren. Vielen Dank
Hanna erzählt, dass sie in einer Zeit aufgewachsen ist, in der diese Themen kein Thema waren und alle nach vorne schauen wollten. In den 80er Jahren hat sich jedoch etwas geändert und Hanna wurde bewusst, dass sie entweder besonders freundlich behandelt oder gemieden wurde, weil sie eine Jüdin ist. Sie wollte, dass sich der Umgang untereinander normalisiert und übernahm daher 1995 den Job als Generalsekretärin des Nationalfonds.
Ihr Vater war ein berühmter Fotograf, der die Zeitgeschichte festgehalten hat. Diese Erfahrungen haben Hanna dazu geprägt, etwas bewegen und verändern zu wollen. Sie hat die Chance ergriffen, um sich mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen und ist der Ansicht, dass dies auch für die Jugend wichtig ist. Es geht darum, den dunkelsten Zeiten unserer Geschichte, die trotzdem Teil davon sind, angemessen zu begegnen. Hanna sieht es als ihre tägliche Aufgabe an, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen.
Ich glaube, es ist wichtig, eine positive Perspektive in die Zukunft zu haben. Obwohl ich viel Leid und schreckliche Geschichten gehört habe, habe ich auch gesehen, dass Menschen trotzdem Resilienz und etwas Positives zu geben haben. Es ist unsere Aufgabe, die Geschichte nicht nur als eine Lehre aus der Vergangenheit zu betrachten, sondern auch einen Zusammenhang zum Heute herzustellen.
Es gibt zwar viele Bildungseinrichtungen und Projekte, die sich mit der Erinnerungsarbeit beschäftigen, aber trotzdem steigt Rassismus, Antisemitismus, Xenophobie und Misogynie immer noch an. Wir müssen Symbole setzen und die Erziehungsarbeit, Demokratie, Vermittlung, Zivilcourage und Antirassismus fördern. Es ist wichtig, dass Gedenktage nicht nur symbolisch sind, sondern auch Inhalte vermitteln und Jugendliche einbeziehen. Lehrer sollten sich mehr Zeit für Einzelgespräche nehmen und mit Jugendlichen über diese Themen offen sprechen.
Wir sind viel im Ausland unterwegs und vertreten Österreich in verschiedenen Expertenkreisen und Gremien. In Bezug auf Investitionen ins Bildungssystem vergleiche ich diese mit Amerika, europäischen Ländern, Kanada usw. Ich bin der Meinung, dass es keinen verstärkten Handlungsbedarf gibt. Österreich ist in puncto Holocaust-Unterricht sehr gut aufgestellt und dient als Vorbild für andere Länder, nicht nur im Unterricht, sondern auch in der Restitution und Erinnerungsarbeit.
Es ist wichtig, Erinnerungsorte zu schaffen, da die Zeitzeugen langsam verschwinden und die Erinnerungen ins kollektive Gedächtnis übergehen sollen. Im Unterricht und in der Erinnerungskultur sind wir gut, aber es ist wichtig, diese auch mit Aktivitäten zu begleiten. Jugendliche sind interessiert und haben viele Fragen. Es ist wichtig, ihnen Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken. Die politische Bildung könnte in Österreich noch ausgebaut werden.
In Bezug auf Antisemitismus habe ich oft erlebt, dass Ausländer ein negatives Bild von Österreich haben, obwohl es in anderen Ländern auch Probleme gibt. In Paris habe ich aggressiven Antisemitismus erlebt. In Österreich gibt es eine Zunahme des Antisemitismus, und es ist wichtig, zwischen verschiedenen Formen zu unterscheiden. Der Sprecher berichtet, dass er selbst antisemitische Beleidigungen erlebt hat, obwohl er einen Davidstern trägt. Er erkennt, dass Antisemitismus existiert und dass noch viel Arbeit zu tun ist, um dagegen anzukämpfen.
Er betont auch die Notwendigkeit, gegen Angriffe auf muslimische Mitbürger/innen vorzugehen und sich für eine aufgeklärte und humanistische Gesellschaft einzusetzen. Darüber hinaus erwähnt er auch den Antisemitismus, die Islamophobie, die Diskriminierung von Roma und Sinti sowie die Unterstützung sexueller Minderheiten. Er betont, dass ein Wohlfahrtsstaat und eine gute soziale Absicherung notwendig sind, um gesellschaftliche Unterschiede zu überbrücken.
Bildung und Aufklärung spielen ebenfalls eine wichtige Rolle, um Vorurteile abzubauen. Der Sprecher nennt den Besuch von Auschwitz mit einer Gruppe von Imamen und Rabbinern als berührendes Erlebnis und plädiert dafür, Vorurteile jeden Tag zu hinterfragen. Das Bildungssystem müsse sich auf die Vermittlung einer weltoffenen und toleranten Sichtweise konzentrieren. Reisen und kosmopolitisches Denken seien ebenfalls von großer Bedeutung.
Der Sprecher betont, dass Vorurteile vorhanden sind und dass man ehrlich zu sich selbst sein muss, um sie zu erkennen und zu überwinden. Er spricht auch von autoritären Tendenzen in Europa und hebt die Bedeutung des Bildungssystems hervor, um diesen entgegenzutreten und Zivilcourage zu fördern. Der Sprecher betont, dass man bereits im Kindergarten und im Vorschulalter mit Achtsamkeit und dem Zusammenleben mit verschiedenen Menschen beginnen sollte. Er berichtet von seiner eigenen Erfahrung in einer multikulturellen Schule und plädiert dafür, bereits frühzeitig diesen Umgang mit Vielfalt zu lernen.
Wir haben uns darauf geeinigt, dass der Hauptschwerpunkt unserer Projektförderung auf den Projekten liegt, die den noch lebenden Opfern zugutekommen. Das beinhaltet Psychotherapien und die Gründung von Österreicher-Clubs für Überlebende des Holocausts. Nun konzentrieren wir uns vermehrt auf Forschung, um offene Fragen zu beantworten.
Lange Zeit wurde nicht genug über die Täter geforscht, doch nun haben wir zwei Großprojekte gestartet, darunter die Neugestaltung der österreichischen Ausstellung in Auschwitz-Birkenau, bei der wir auch über die Täter sprechen. Unsere aktuellen Projekte zielen darauf ab, Geschichte zu vermitteln und diese Vermittlung auch in die Bundesländer zu bringen.
Wir haben einen Simon Wiesenthal-Preis ins Leben gerufen, der einmal im Jahr für zivilgesellschaftliches Engagement verliehen wird. In den nächsten Jahren werden wir uns vor allem auf die Erinnerungskultur konzentrieren und unsere einzigartigen Akten digitalisieren, um der Forschung die Möglichkeit zu geben, spezifische Lebensgeschichten zu untersuchen. Unsere Hauptaufgabe wird weiterhin die Vermittlung sein.
Mit Mary Striep, Rosemary Harris und vielen anderen. Mein Vater hat es gehasst und es als Banalisierung bezeichnet. Ich hingegen sehe darin die Möglichkeit, Geschichte durch Einzelschicksale erlebbar zu machen. Die Serie hat weltweit einen unglaublichen Effekt gehabt. Auch wenn es wissenschaftlich betrachtet kritisch gesehen wird, konnte jeder ein Stück mitfühlen. In unseren Aktenbeständen gibt es auch Beispiele für Entzug, wie zum Beispiel den Entzug einer Füllfeder oder einer Harley-Davidson. Das ist greifbarer.
In meiner Freizeit spiele ich seit fast 30 Jahren Golf. Das ist eine Möglichkeit, mich abzulenken und mich dem Golfball in der Natur zu widmen. Außerdem singe ich, früher im Chor und jetzt mit einer Gesangslehrerin. Es gibt auch wichtige Themen wie Antisemitismus, bei denen wir aktiv sind. Wir haben die erste Antisemitismus-Definition in der International Holocaust Remembrance Alliance geschaffen, die von vielen angewendet wird.
Große Fußballvereine haben viel in Aufklärungsarbeit investiert. Es ist wichtig, junge Menschen für dieses Thema zu sensibilisieren. Vielen Dank
Die „ZEITGESPRÄCHE“ sind geprägt von Anstand und Respekt. Vor Menschen, Werten und dem demokratischen Miteinander. Sie verbinden spannende Einblicke mit klugen Gedanken und vergnüglichen Momenten im Leben wunderbarer Persönlichkeiten.
Transkript
Zeitgespräche mit Gerhard Schmid. Ein Austausch über Politik, Kunst, Kultur und Wirtschaft zu aktuellen Themen unserer Zeit.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, herzlich willkommen zu dieser Ausgabe der Zeitgespräche,
wie ich an dieser Stelle immer sage, hier in der Wiener Oranier, dem Herzstück oder dem Flaggschiff der österreichischen Volksbildung.
Mein heutiger Gast ist eine beeindruckende, faszinierende Frau, die unglaubliche Aktivitäten
freisetzt in der österreichischen Erinnerungskultur und Österreich im Ausland sehr, sehr intensiv vertritt.
Ich begrüße Sie sehr, sehr herzlich, die Generalsekretärin des österreichischen Nationalfußes, Hanna Lessing.
Hallo, danke für die Einladung. Also korrekt, liebe Hanna, müsste ich jetzt sagen, Frau Professorin, Magistra Hanna Lessing,
Parlamentsrätin in Wien. Dein Lebenslauf ist ja wirklich ganz beeindruckend. Du warst
Generalsekretärin des Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe, Generalsekretärin
des Allgemeinen Entschädigungsfonds, bist seit September 1995 die Generalsekretärin,
des Nationalfonds der Republik Österreich, hast eine großartige akademische Laufbahn,
Verwaltungsakademie, Wirtschaftsuniversität, das Lycée, mit Baccalaureat und und und
eine Reihe von Funktionen im In- und Ausland.
Allein bei der Liste wäre ich schon grauhaarig. Aber geh, ich bitte dich, das ist ja überhaupt nicht notwendig, bist im Beiräten etc.
Wie würdest du deine Rolle, deine Funktion, die du hast, die ja dem Parlament zugeordnet,
ist, wie würdest du das unseren Zuschauern erklären?
Da muss ich ein bisschen ausholen. Ich bin in einem Wien aufgewachsen, wo das Thema Antisemitismus,
Entschädigung, Restitution, Wiedergutmachung unter Anführungszeichen kein Thema war. Wir,
haben alle in den 60er, 70er Jahren nach vorne schauen wollen. Österreich war sozusagen ganz,
gut abgedeckt mit der Opfertheorie, eben dass wir gesagt haben, wir waren das erste Opfer
der Hitleraggression und das war auch verständlich, dass die ersten Regierungen nach vorne schauen
wollten. In den 80er Jahren hat sich dann etwas bewegt und ich habe einfach, man sieht es vielleicht,
ich trage meinen Davidstern relativ offen, habe aber immer wieder so das Gefühl gehabt.
Man ist entweder besonders freundlich mit mir oder man weicht mir ein bisschen aus,
weil man nicht weiß, wie man mit einer Jüdin umgeht. Ist es eine jüdische Österreicherin, bin ich eine österreichische Jüdin oder bin
ich überhaupt nur Jüdin?
Und ich habe dann meinem Papa gesagt, Papa, ich möchte, dass sich das verändert.
Ich möchte, dass der Umgang untereinander einfach ein ganz normaler wird.
Und wie dann die Möglichkeit war, den Nationalfonds 1995 zu übernehmen, habe ich ihm gesagt,
Was würdest du denn von mir erwarten, wenn ich als österreichische Beamtin zu dir komme,
und dir sage, es tut uns leid, es ist mir bewusst, es kann nichts wieder gut gemacht werden?
Und er war eigentlich ganz dagegen, dass ich diesen Job annehme, weil er gemeint hat, es
ist nur mit der Vergangenheit sich auseinandersetzen, es ist schlimm.
Der Figur von Papa war ja wahrscheinlich der berühmteste Fotograf der Zweiten Republik.
Kennen, seine Staatsvertragsfotografie. Er hat ja die Zeitgeschichte mit den Mitteln
der Fotografie sozusagen festgehalten und ins Bild gesetzt. Hat wahrscheinlich auch bei
dir Interesse hervorgerufen. Ja, am Festhalten der Zeit. Meine Mutter war Journalistin,
mein Vater Fotograf und die haben sich zur Lebensaufgabe gemacht, Geschichte zu erzählen
und die Menschen damit zu bewegen. Und mein Vater ist dann später in den 80er Jahren,
70er Jahren von der Fotoreportage und der Kriegsreportage abgekommen, weil er und meine
Mutter, sie haben zum Beispiel die ungarische Revolution berichtet und sie haben es nicht
geschafft den Menschen klarzumachen, was dort passiert. Sie wollten eine politische Message
geben und es wurden zwar die Artikel und die Fotos hoch prämiert, aber sie haben nicht das erreicht,
was sie machen wollten. Und das hat mich schon in meiner Kindheit geprägt, dass ich gesagt habe,
Ich möchte mit meiner Arbeit etwas bewegen, etwas verändern.
Und dann hatte ich eben diese Chance und wie ich dem Papa gesagt habe, der ja selber 1939
fliehen musste und seine Mutter, meine Großmutter, ist in Auschwitz ermordet worden, hat er mir
dann gesagt, okay, ich verstehe schon, du willst diesen Job machen, aber ich gebe dir
jetzt folgende Antwort und er hat mich gefragt, kannst du mir meine Kindheit zurückgeben?
Kannst du mir meine Mutter aus Auschwitz zurückbringen?
Und mit dem Wissen habe ich diesen Job übernommen, diese Lebensaufgabe, und daher beschreibe
Ich liebe es, wenn jemand mich fragt, was ich tue.
1995 haben wir einfach noch versucht, uns klarzumachen, dass wenn wir uns unserer eigenen Geschichte stellen,
es einfach für uns besser ist.
Und ich glaube schon, wenn ich heute die Jugendlichen anschaue, wenn ich in
Schulen gehe und so weiter, da hat sich schon vieles getan.
Also es geht um Umgang mit den dunkelsten Zeiten der Geschichte, die Teil unserer Geschichte
sind, so gern wir sie wegschmeißen würden und vergessen würden.
Man kann sie nicht vergessen, man kann sie nicht wegmachen, Man kann auch mit dem größten Genozid, den es jemals gegeben hat, nicht umgehen lernen,
sondern er ist einfach Realität.
Und das ist, was ich tue. Mit dem muss man sich auseinandersetzen.
Und das ist sozusagen deine tägliche Aufgabe und du machst das sozusagen immer mit einer.
Was dich so auszeichnet, mit einer positiven Perspektive in die Zukunft.
Ja, mein Papa hat mir immer gesagt, du wirst dich nur mit der Vergangenheit beschäftigen
und es ist so dunkel.
Und natürlich habe ich am Anfang sehr, sehr viel Leid gehört, aber ich habe auch gesehen,
dass diese Menschen Vertrauen haben in uns als jüngere Generation, dass wir etwas Besseres draus machen.
Das heißt, basierend auf ganz fürchterlichen Geschichten habe ich aber auch gesehen, wie,
viel Resilienz man haben kann.
Also Menschen, die das KZ überlebt haben, die im Exil waren und alles verloren haben,
trotzdem etwas Positives zu geben gehabt. Und das haben sie mir weitergegeben. Und daher stehe ich,
in der Früh auf und bin dankbar, dass ich das machen darf und dankbar, dass ich mit jungen
Menschen reden kann und sagen kann, selbst wenn es noch so schlimm ist, es gibt immer.
Entscheidungsmöglichkeiten. Es gibt immer Wege, die man einschlagen kann.
Ich glaube, es wird unsere gemeinsame Aufgabe sein, dieses berühmte hegelische Wort zu
widerlegen, dass die Geschichte uns nur lehrt, dass man aus ihr nichts lernt. Und das muss man
Und wir machen ja diese Sendung als SPÖ-Bildungsorganisation,
und daher glaube ich, haben wir da auch einen Bildungsauftrag.
Aber den lebst du ja. Du bist ja in unglaublichen Komitees und Vereinigungen und Beiräten und so weiter.
Wie siehst denn du sozusagen im Moment die Erinnerungsarbeit im Bildungsbereich?
Also es hat sich sehr, sehr, sehr vieles verbessert. Ich gehe viel an Schulen, aber ich gehe auch viel Vorträge sozusagen vor Erwachsenen machen,
im, in und Ausland.
Und trotzdem muss ich natürlich nach 28 Jahren hinterfragen, warum, obwohl wir eben auch
zum Beispiel Organisationen wie ARIN an AT haben, im Unterrichtsministerium, wir haben
die Gedenkstätte Mauthausen mit wunderbarer Vermittlungsarbeit, wir haben im Nationalfonds
Lebensgeschichten, Vermittlung, Vermittlung an Friedhöfen. Wir machen wirklich Tolles. Trotzdem ist...
Rassismus, Antisemitismus, Xenophobie, Misogynie am Steigen. Ja.
Warum? Ich glaube, wir haben sehr lange nur über die Vergangenheit berichtet.
Und da halte ich es halt dann immer wieder mit der Ingeborg Bachmann, wie sie gesagt
hat, Geschichte lehrt, aber sie findet keine Studenten.
Ich glaube schon, sie findet Studenten langsam. Ich glaube, die Situation wäre schlimmer, hätten wir nicht so viel Bildungsaufgaben
übernommen und verbessert.
Es hat einen großen Schritt gegeben in der Zeit, wo wir von nur Zahlen geredet haben
und dann angefangen, von Einzelschicksalen zu reden.
Und trotzdem müssen wir uns dessen bewusst sein, dass wir einen Zusammenhang zum Heute bringen müssen.
Das heißt, wenn wir von der Vergangenheit reden, wenn wir von der Ermordung von Millionen
von Juden, Roma, Sinti, Homosexuellen, politisch Verfolgten reden, dann muss man auch das heute
dazu sehen, dass Demokratie sehr zerbrechlich ist und dass sich das immer wieder wiederholen
kann und im Kleinen sich auch wiederholt. Also diesen Zusammenhang müssen wir zeigen,
damit die Jugendlichen von heute nicht sagen, naja das ist ja 80 Jahre her, was hat das mit
mir zu tun? Das ist das heute. Ich versuche es einmal so zu formulieren und bitte widersprich
Ich glaube, es ist ganz, ganz wichtig, dass man Symbole setzt, aber es ist über das Setzen
von Symbolen genauso wichtig, dass man in die Erziehungsarbeit, Demokratie, Vermittlung,
Zivilcourage, Antirassismus und so weiter.
Absolut. Also es gibt Gedenktage, die sind einerseits politisch und symbolisch, mit aber Inhalt,
weil immer wieder sehr viele Jugendliche eingeladen werden, aber das ist halt dann
ein Kreis von 200, 300 Leuten, die man erreicht.
Feiern sollen, auch öffentlich und übertragen werden im Fernsehen, ganz wichtig, aber eben
auch die Einbindung von Jugendlichen in ein Zeitschema, wo man sich auch wirklich Zeit.
Nimmt. Ich war jetzt gerade in einer Schule im 10. Bezirk und da ging es sehr viel, weil
95 Prozent der Schüler migrantischen Hintergrund haben. Sehr viele Lehrer trauen sich über
gewisse Themen gar nicht zu sprechen. Es war natürlich Thema Antisemitismus in Bezug auf
Ich habe ganz offen mit diesen Kindern dort gesprochen, weil ich mir aber auch zwei Stunden Zeit genommen habe.
Das Problem ist, dass Lehrer nicht so viel Zeit sich nehmen können, um Einzelgespräche zu führen.
Und daher müssen wir einfach uns trauen, mit Jugendlichen darüber zu reden und sie
natürlich auch zu erreichen, weil die Aufmerksamkeitsspanne ist halt minimal.
Jetzt kommst du sehr viel im Ausland herum und vertritt Österreich in vielen Expertenkreisen und Gremien usw.
Bist auch in Bildungseinrichtungen im Ausland unterwegs.
Wenn du so die Investitionen ins Bildungssystem vergleichst mit Amerika, mit europäischen
Ländern, mit Kanada usw., haben wir da einen Handlungsbedarf?
Einen verstärkten Handlungsbedarf? Also ich bin Co-Delegationsleiterin der IHRA, das ist die International Holocaust Remembrance
Alliance, da sind 35 Länder weltweit, die sich im Jahr zweimal treffen, mit Arbeitsgruppen
spezifisch in Unterricht und so weiter. Da gibt es eine ganz gute Vergleichbarkeit von Ländern.
Der Vorteil von Österreich ist, dass Bildung Bundessache ist, aber eben also Universitäten
nicht, aber sonst Schulen zentral und zum Beispiel in Amerika ist das pro Bundesstaat verschieden.
Das heißt, wir haben seit 1988 ein Gesetz, das Holocaust-Unterricht, also den Unterricht
über Nationalsozialismus, zwingend inkludiert und darüber können wir sehr, sehr vieles machen.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Österreich neben Deutschland sehr, sehr gut unterwegs ist.
Immer noch was verbessern, man kann immer noch mehr Zeit sich nehmen, aber ich glaube,
Nachholbedarf haben wir nicht. Wir dienen sehr, sehr viel als Vorbild, nicht nur im Unterricht,
nicht nur in der Modernität, sondern eben auch in allen Restitutionssachen, aber auch in der
Erinnerungsarbeit zum Beispiel, wo wir sehr stark sind, gerade auch in Wien, und wir wollen es ein
bisschen auf die Bundesländer auch aufbreiten, jetzt, wo die Zeitzeugen sterben und immer weniger
sind oder auch nicht mehr die Kraft haben, das zu machen. Also meine Tante geht als Zeitzeugin,
die ist 86. Das ist anstrengend, immer mal wieder die Erinnerungen aus Theresienstadt
durchzuarbeiten, dass wir Erinnerungsorte machen, damit sozusagen die Erinnerungen ins
kollektive Gedächtnis der Städte und der Orte kommen. Zum Beispiel eben die Namensmauer
Gedenkstätte hier in Wien, wo die Namen der 65.000 Ermordeten.
Namentlich genannt sind. Heute Nachmittag werden wir im Resselpark das homosexuelle Mahnmal eröffnen.
Also solche Mahnmale müssen wir jetzt machen, wo die Zeitzeugen sterben.
Also ich glaube, im Unterricht und in der Erinnerungskultur sind wir sehr, sehr gut.
Aber Sie müssen auch immer mit Aktivitäten begleitet sein.
Absolut, absolut. Also wir machen Führungen an den Namensmauern.
Man muss Sachen kontextualisieren. Wir sehen es ja jetzt gerade mit dem Lueger-Denkmal,
dass ein bisschen schiefgestellt wird.
Also, man muss darüber reden, man darf es nicht verschweigen,
aber man muss es kontextualisieren und ins Heute bringen, damit die Jugendlichen irgendetwas damit anfangen können.
Ich habe ja auch immer die Auffassung vertreten, dass man dem Loeger etwas gegenüberstellen sollte.
Weil ich glaube, dass es wichtiger ist, dass man Menschen zum Nachdenken anregt,
und das über eine längere Strecke,
als wenn du etwas weggibst und so weiter.
Tag ein Thema und nach 14 Tagen ist es kein Thema mehr.
Ja, absolut. Also es gibt zwei Sachen für mich, die ganz wichtig sind. Einerseits,
es ist die Wahrheit, es den Menschen zuzutrauen. Das heißt, man kann es ihnen auch sagen. Und.
Ich finde auch, dass sehr oft man unterschätzt, wie interessiert Jugendliche wirklich sind. Ich,
habe es wirklich in der Erfahrung, dass wenn ich offen auf sie zugehe, da gibt es so viele tolle
Fragen. In dieser Schule im zehnten Bezirk, nachdem wir eine Stunde lang über, wer hat das Recht, wo
zu sein, was ist passiert, ist es dann im Endeffekt, und das waren jetzt keine religiösen Menschen,
die Kinder haben gefragt, wo war Gott? Also es waren unglaublich reflektierte Fragen, wo ich mir
gedacht habe, wenn man sich nur die Zeit nehmen würde, die wollen ernst genommen werden.
Das ist ein Auftrag an die politische Bildung, die in Österreich noch ein bisschen schwächer
ausgeprägt ist, als in anderen Ländern, zum Beispiel in Deutschland.
Jetzt, Hannah, du hast angesprochen das Thema Antisemitismus, das beschäftigt uns ja ganz,
ganz intensiv. Jetzt ist die Frage, du kommst viel in der Welt herum, siehst du eine Zunahme des Antisemitismus?
Und auch der Folgewirkungen, Übergriffe und so weiter, Belästigungen?
Also, ich habe mich immer unglaublich geärgert, wenn Amerikaner nach Wien gekommen sind und
gesagt haben, ich spüre Antisemitismus an jedem Eck und wenn ich in die Synagoge komme,
stehen dort Maschinen, Pistolen, bewaffnete Polizisten und ich so gesagt habe, ja und
in Amerika gibt es Golfclubs, wo Juden nicht Mitglied werden dürfen. Es ist zwar nicht am
Papier geschrieben, aber es ist ganz klar, dass es so ist. Also es ist sehr oft...
Einfach noch immer die Sicht auf Österreich eine schlechte. Ich war jetzt gerade in New York und habe mir dieses Stück Leopoldstadt angespielt.
Unfassbar tolles Stück, aber wenn jemand dort ohne Vorbildung hinkommt, dann kriegt er
das Gefühl, dass in Österreich noch immer die Nazis sitzen und der Antisemitismus extrem stark ist.
Ich habe lange in Paris gelebt, da habe ich Antisemitismus in einer ganz aggressiven Art erlebt.
In Österreich ist zwar eine Zunahme des Antisemitismus und natürlich muss man,
auch unterscheiden, welche Art von Antisemitismus. Ist es eine anti-israel-zionistische,
Antisemitismus oder ist es gegen Juden?
Aber ganz ehrlich, ich trage diesen Davidstern. Es ist mir in meinem ganzen Leben, nur in meiner Jugend, wo ich gegen die ANR
demonstriert habe und mich ein bisschen prügeln gegangen bin,
passiert, dass ich als Saujot beschimpft worden bin.
Das heißt aber natürlich nicht, dass wenn ich mit Schläfenlocken gehe oder mit einer Perücke und einem Kinderwagen und fünf Kindern,
dass ich im zweiten Bezirk unglücklicherweise nicht angespuckt werde.
Das heißt, es ist mir bewusst, es gibt Antisemitismus, wir müssen in der Art weiterarbeiten, es gibt sehr viele Studien, es gibt sehr viel Arbeit da noch zu machen.
Aber jetzt hast du natürlich, es gibt ja Angriffe auf muslimische Mitbürgerinnen und Mitbürger.
Und jetzt ist die Frage, die man in einer politischen Funktion immer stellt, was kann man dagegen tun?
Und ich glaube, es klingt jetzt ein bisschen wie eine Überschrift, aber du brauchst eine
aufgeklärte, humanistisch orientierte, sozial orientierte Gesellschaft mit einem funktionierenden
Wohlfahrtsstaat im Hintergrund.
Leichter gesagt als getan, nur die Frage ist, wie kann man dieses Ziel erreichen?
Bildungsinvestitionen etc.
Also der Antisemitismus, eine Geschichte, Islamophobie, zweite Geschichte, Roma und Sinti, noch immer ganz stark.
Und wenn ich mir anschaue, was sich jetzt in Polen und in Ungarn abspielt...
Auch sexuelle Minderheiten jetzt... LGBTQI, ich meine, ist noch immer keine Logik, dass man diese Minderheiten unter Anführungszeichen einfach nur als Menschen sieht.
Aber ich gebe dir vollkommen recht, dieses Ziel können wir höchstwahrscheinlich nur
erreichen, wenn es keine sozialen, großen Gaps zwischen den Gruppen gibt.
Manche Gruppen, die sagen, naja, die nehmen uns die Arbeitsplätze weg, dabei eigentlich,
sind das genau die Arbeitsplätze, die wir eh schon nicht mehr erfüllen.
Also ein Wohlstandsstaat mit einer guten sozialen Absicherung ist sicher eine der großen Lösungen.
Andererseits Aufgeklärtheit. Natürlich, wenn ich an Schulen gehe, versuche ich
einfach auch zu zeigen, wer ich bin, damit die Menschen zum ersten Mal einen Juden
zum Angreifen haben. Es gibt ja genug Leute, die Antisemitismus ohne Juden gibt.
Man kennt mich nicht. Das heißt, wenn sie mich dann sehen, sagen die, die ist eh ganz cool oder normal.
Nein, ich habe keine Teufelshörner. Und das ist das Einzige, was man machen kann,
dass man sich auch dieser Auseinandersetzung stellt.
Ich war vor einer Woche in Auschwitz mit einer Gruppe von Imamen.
Es war eine Gruppe von jüdischen Geistlichen mit muslimischen Geistlichen.
Es war unfassbar berührend, was sich dort abgespielt hat. Also wir müssen alle unsere eigenen Vorurteile jeden Tag hinterfragen.
Und nur so geht es. Das heißt, unser Bildungssystem muss jetzt nicht nur in Österreich sein,
muss fokussiert sein auf das Eliminieren von Vorurteilen, bzw. das Vermitteln einer
weltoffenen, toleranten, humanistischen Sicht. Und das geht aber nur, indem man auch Beispiele lebt,
indem man ein bisschen weiß, wie die Welt funktioniert, indem man international denkt.
Reisen, glaube ich, wären sehr wichtig. Ja, kosmopolitisch und einfach was anderes kennenlernen, es zulassen, aber auch in sich
hineinspüren und sagen, okay, habe ich jetzt ein Vorurteil? Und dann sagen, okay, warum?
Und einfach den Menschen als Menschen zulassen. Aber das heißt, ich habe keine Vorurteile,
sondern sich ehrlich sein und sagen, jeder von uns hat Vorurteile.
Wir erleben ja in ganz Europa im Moment sozusagen autoritäre Tendenzen hinein in die Gesellschaft,
natürlich auch in die Politik. Und ich glaube, dem kannst du nur über das Bildungssystem so
früh als möglich entgegenwirken.
Weil man ja Zivilcourage und so weiter auch vermitteln kann.
Da ist die Frage natürlich, wann fangen wir an?
Das ist eine Frage, die wir uns immer wieder aufnehmen. Du förderst ja viele solcher Projekte.
Ja, aber das sind natürlich Projekte, die in der Schule ansetzen bei 13, 14-Jährigen.
Und ganz ehrlich, mit 13 oder 14, da habe ich mir meine politische Richtung oder Meinung schon ziemlich gefestigt.
Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen kitschig, aber ich glaube, man könnte viel, viel früher anfangen.
Das heißt, wirklich im Kindergarten oder sogar schon in der Vorschulalter Achtsamkeit.
Ich war in der französischen Schule in den 60er-Jahren.
Dort haben wir alle Hautfarben gehabt, alle Ethnien, alle Religionen und sind so aufgewachsen.
Und für mich war es klar, wenn ich im 40a zur Schule gefahren bin und meine Freunde aus Ghana von einem Busmitfahrenden angerührt worden ist, ob das Farbe ist,
dann bin ich sofort dazwischen gegangen und habe gesagt, was soll das?
Also je früher wir damit anfangen, mit all diesen Menschen zu leben, weil wir sehen.
Es ist auch nur ein kleines Kind, es ist nur ein Mensch, dann wird es leichter auch mit
zehn, elf, zwölf, dreizehn dann mit diesen Vorurteilen, die sich aus verschiedensten,
Gründen festsetzen, wieder vielleicht auszugleichen.
Liebe Hanna, jetzt haben wir uns sozusagen inhaltlich da ganz klar verständigt.
Du machst mit dem Nationalfonds viele oder unterstützt viele dieser Ideen, viele dieser Projekte.
Was ist denn sozusagen der Hauptschwerpunkt?
Also bei der Projektförderung war bis jetzt natürlich Hauptschwerpunkt alle Projekte,
den noch lebenden Opfern zugutekommen. Das waren teilweise Psychotherapien, weil man darf nicht
vergessen, nach dem Krieg haben alle versucht zu verdrängen, Täter und Opfer gleichzeitig,
und im Nationalfonds 1995 hatte man 50 Jahre lang in Österreich die Überlebenden ignoriert,
sagen wir es so, oder zumindest nicht als Verantwortung Österreichs gesehen. Und wir
Wir haben ja weltweit agiert und haben über 30.000 Überlebende weltweit gefunden.
Eben alle Gruppen Juden, Roma, Sinti etc. Und durch ganz simple Fragen wie, wo haben sie 1938 gelebt, haben wir diese Menschen
Also, retraumatisiert.
Und das ist uns erst in der Arbeit bewusst geworden. Das heißt, wir haben Therapien gemacht, wir haben Österreicher-Clubs gegründet.
Das heißt, in Tel Aviv zum Beispiel ist ein Club, wo wir Überlebende, da kommen dann
österreichische Künstler hin und es ist wirklich eine schöne Sache.
Jetzt konzentrieren wir uns natürlich vermehrt auf Forschung.
Es gibt noch immer genügend Forschungsdesiderate, die offen sind, die man sich einfach genauer anschauen muss.
Sehr lang ist natürlich nicht über die Täter geforscht worden.
Wir haben jetzt zum Beispiel, zwei unserer Großprojekte waren die Neugestaltung der
österreichischen Ausstellung in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau.
Da warst du ja federführend beteiligt. Die großartig, eben nur vom Österreich-Erstes-Opfer gesprochen hat und wir haben dann gesehen,
dass wir dort auch vor Ort über die Täter sprechen müssen und alle haben gesagt, nein,
ist doch eine Gedenkstätte und da sind Opfer und so weiter. Habe ich gesagt, ohne Täter wäre meine
Großmutter nicht zum Opfer geworden. Franz Franitzki hat in seiner berühmten Rede vor der Gnesset in
Jerusalem 1996, glaube ich, war es. Nein, früher schon. 1993, ja. Also 1991 zuerst in Österreich
und dann 1993 in der Gnesset, ja. Das war großartig, weil das war endlich einmal. Und daher sind unsere
Projekte jetzt darauf ausgerichtet, Geschichte zu vermitteln, aber ganz besonders auch aus Wien
heraus in die Bundesländer zu gehen, in den Bundesländern unterstützen, diese kleinen
Projekte. Eine Gemeinde möchte schauen, was ihre Geschichte war und da haben wir jetzt den Simon
Wiesenthal-Preis ins Leben gerufen, wurde im Parlament beschlossen per Gesetz, wird durch den
Nationalfonds verliehen, einmal im Jahr im Parlament für zivilgesellschaftliches Engagement.
Großartig, großartig. Und was sind für die nächsten Jahre deine Zielsetzungen und Pläne?
Hm, was sind meine Zielsetzungen und Pläne für die nächsten Jahre?
Oder deine Schwerpunkte, die du gerne in Angriff nehmen möchtest?
Einerseits ist die Erinnerungskultur eben wirklich eine ganz wichtige und die können wir aus einem Schatz heben.
Der Nationalfonds hat in den letzten 28 Jahren mit über 30.000 Menschen weltweit aus allen Opfergruppen zu tun gehabt.
Gehabt. Wir sind derzeit noch eine Registratur, weil wir ja noch arbeiten an diesen Akten. Aber
diese Akten sind einzigartig, denn wir haben die Lebensgeschichten von Menschen von 1820 bis zu
den Erben von heute, 2023. Wir können über ein ganzes Jahrhundert und länger, eigentlich zwei
Jahrhunderte jetzt schon, Geschichte erzählen. Und die arbeiten wir auf in Lebensgeschichten,
Das sind Bücher, das sind Filme, das sind ...
Vermittlung, also das wird unsere Hauptaufgabe sein. Digitalisierung unseres Aktenbestandes.
Genau, um dann auch der Forschung die Möglichkeit zu geben, hier wirklich diese ganz spezifischen Lebensgeschichten zu beforschen.
Ich habe immer die Meinung vertreten, dass man gerade in der Geschichte Vermittlung
die Menschen dort abholen muss, wo sie sind, und sozusagen das Besondere vor das Allgemeine stellt.
Das Allgemeine kommt dann als Klammer drüber. Absolut. Ich erinnere mich, dass ich 1978 gebeten wurde,
also hatte ich die Möglichkeit, in der kleinen Miniserie Holocaust mitzuspielen.
Mit der Mary Striep und Rosemary Harris und und und. Und mein Papa hat es gehasst. Er hat gesagt, das ist eine Banalisierung und und und.
Aber das ist genau das. Nur über diese Einzelschicksale können wir Geschichte erleben.
Ja, aber diese Serie hat einen unglaublichen Effekt gehabt.
Wissenschaftlich würde man es natürlich kritisch sehen.
Aber sie hat weltweit einen unglaublichen Effekt gehabt. Ja, weil jeder konnte ein bisschen mitleben mit dieser Geschichte.
Und das ist, was wir eben auch sagen. In unseren Aktenbeständen kann man zum Beispiel auch Entzug erklären.
Wie schaut der Entzug einer Füllfeder, einer Harley-Davidson?
Das ist alles greifbarer. Ich verstehe.
Hanna, was macht die Hanna Lessing, wenn sie sich nicht um Erinnerungsarbeit,
wenn sie wenige Stunden mal Freizeit hat.
Also es gibt eine Leidenschaft von mir, die ich jetzt schon fast 30 Jahre sozusagen habe,
und zwar ich spiele Golf.
Ja, das ist schön. Und ehrlich gesagt ist das eine der wenigen Möglichkeiten,
wo ich wirklich das Thema ein bisschen rausschieben kann,
mich einfach diesem blöden kleinen weißen Ball in der Natur widmen und voll drauf tremmeln.
Und ich singe.
Du singst, das ist auch schön. Früher in einem Chor und jetzt wieder mit einer Gesangslehrerin.
Ich glaube es gibt, wenn du sagst der kleine Ball, das Golf, das ist der einzige Punkt,
wo ich sozusagen eine Differenz zwischen uns gesehen habe, ist der große Ball, ne?
Ja, das stimmt. Also das violette und das grün-weiße Herz.
Ja, also da muss ich ehrlich sagen, ich bin eine Austrianerin seit Kindheit, ich bin mit
meinen Brüdern immer zum Derby gegangen, meine Mutter hat beide Fahnen nähen müssen,
mein Bruder war Rapid-Anhänger und mein Ziehbruder und ich waren Austriane. Aber das ist natürlich
zum Beispiel auch ein Thema, das ganz, ganz wichtig ist für uns. Wir haben in der IRA,
in der International Holocaust Remembrance Alliance, haben wir die erste Antisemitismus-Definition
geschaffen. Sie ist nicht perfekt und es gibt sozusagen ein paar andere Definitionen, sie wird
aber von sehr, sehr vielen angewendet, weil man kann nur etwas bekämpfen, das man kennt und diese.
Wurde vom ÖFB angenommen, auch von der Austria Wien angenommen, die Sportunion hat jetzt auch
diese Definition angenommen und wir versuchen hier auch im Fansektor, nicht nur im Fußball,
sondern auch in diesem ganzen Jiu-Jitsu, Boxen und so weiter, in diese Gruppierungen von Sportlern
reinzukommen, um klarzumachen, Antisemitismus muss man kennen und man sollte es nicht zulassen.
Aber beide großen Mühlenfußballvereine haben in den letzten Jahren oder letzten
10-15 Jahren sehr, sehr, sehr viel in diese Aufklärungsarbeit investiert.
Ganz wichtig, ja. Also wir sind froh, dass das gemacht worden ist und dass vielleicht
auch aufgrund dieser Zurverfügungstellung einer Definition es etwas einfacher geworden ist,
in der Fan-Arbeit mit Workshops spezifischer zu werden und etwas zu machen.
Ganz wichtig, ganz wichtig, weil es viele Zehntausende Jugendliche auch haben.
Ja, natürlich.
Liebe Hanna, vielen herzlichen Dank, danke für deine Zeit und dir persönlich alles,
alles Gute, alles Liebe. Danke vielmals. Danke.
Music.